Historie

Der geschichtliche Hintergrund

Pirna im Dreißigjährigen Krieg

Von René Misterek

Mit dem Prager Fenstersturz begann 1618 in Böhmen der Dreißigjährige Krieg. Die Stadt Pirna wurde in den ersten Kriegsjahren zu einem Zufluchtsort vieler böhmischer Protestanten, die nach der Niederschlagung des Aufstandes vertrieben wurden. Um 1630 lebten etwa 2.000 Exulanten in Pirna. Von Kämpfen und Zerstörungen blieb die Stadt jedoch weitgehend verschont. Einen tiefen Einschnitt brachte erst das Jahr 1639. Von Freiberg über Dippoldiswalde kommend, rückte im April ein schwedisches Heer unter General Banér vor die Stadt. Das Schloss Zehista wurde zum Hauptquartier des Generals. Am 23. April begannen die Schweden unter heftiger Gegenwehr die Eroberung der Stadt, gegen Mittag konnten sie am Dohnaischen Tor eine Bresche schlagen und in das Innere vordringen. Während die Stadt in den nächsten Wochen und Monaten den Drangsalierungen und Plünderungen durch die schwedische Besatzung ausgesetzt blieb, konnte die Festung Sonnenstein unter dem Kommandanten von Liebenau weiterhin verteidigt werden.

Die grausigen Ereignisse aus den Tagen der schwedischen Besatzung schilderte ein Bericht an den Kurfürsten: „Ist also durch Gottes Verhängniß die Stadt neben allen Thürmen, in der Schweden Hände kommen, da denn nicht allein viel Bürger und Bomsche geröttelt, geknäbelt, mit Schwedischen Träncken gemartert, niederhauen, mit Stricken erwürget und gefangen genommen, sondern auch alles Geld und Gutt, alle Mobilien, Rüsten und Kasten, Pferde, Vieh, Wein, Eier, Getreide, Mehl, Betten, suma alles geplündert.“ Die Zahl der Opfer am Tag der Eroberung wurde mit etwa 600 beziffert.

Foto: Kommandant von Liebenau

Der Handlung des Spiels liegen die Geschehnisse des 24. und 25. September 1639 zugrunde. Der sächsische Kurfürst war in jenem September mit einem kaiserlichen Hilfsheer vor Pirna aufmarschiert, um die Stadt zu belagern und die Schweden zu vertreiben. General Banér, der mit seinen Hauptkräften schon im Mai nach Böhmen vorgedrungen war, rückte daraufhin wieder gegen Pirna vor. Der Kurfürst zog seine Söldner deshalb wieder nach Dresden zurück. Banér schlug sein Hauptquartier zwar erneut in Zehista auf, plante jedoch den endgültigen Abzug seiner Kräfte.

Am Abend des 22. September verbreitete sich das Gerücht, Banér werde bei seinem Abzug die Stadt völlig einäschern. Der Rat verfasste am 23. September nach Beratung mit Vertretern der Bürgerschaft ein Schreiben an Banér mit der Bitte um Schonung. Der Feldherr zerriss aber den Bittbrief und gab die Anweisung, innerhalb von zwei Stunden die Stadt zu verlassen, wenn die Bürger nicht mit Frau und Kind verbrennen wollten. Auf Knien baten die städtischen Vertreter vergebens um Erbarmen.

General Banér
General Banér
Magdalena Sibylla
Magdalena Sibylla

Verzweifelt begaben sich viele Einwohner am 24. September in benachbarte Orte. Die Schweden drangen erneut in die Stadt und plünderten das noch verbliebene Gut. Teile der Stadtbefestigung wurden niedergerissen. In dieser Situation wandten sich Bürger an den schwedischen Oberst Samuel Österling, der ihnen als Landsmann bekannt war. Man hatte den Entschluss gefasst, den Apotheker Theophilus Jacobäer als Vertreter der Bürgerschaft nach Dresden zu senden. Er sollte Magdalena Sibylla, die Gemahlin des Kurprinzen, aufsuchen und einen Bittbrief übergeben, damit diese sich gegenüber Banér für die Schonung der Stadt einsetzt.

Oberst Österling stellte für diesen Ritt ein Pferd zur Verfügung. Die Mission gelang, und Jacobäer kehrte am Morgen des 25. September mit einem Schreiben der Kurprinzessin zurück, das er Banér übergab. Der schwedische General ließ von seinem angekündigten Zerstörungswerk ab. Lediglich einige Befestigungswerke wurden noch angezündet und geschliffen.

Gab der Brief tatsächlich den Anlass zur Zurückhaltung, oder hatte Banér nur gedroht? Die Antwort wird immer auf dem Feld der Vermutungen bleiben. Jacobäers mutige Rettungstat erfährt aber dadurch keine Schmälerung.

Die Stadt Pirna war trotz dieses Ausgangs in weiten Teilen zerstört, Handel und Gewerbe lagen völlig am Boden und das „Pirnsche Elend“ wurde in Sachsen sprichwörtlich. Die Erinnerung an diese grausamen Geschehnisse blieben im Gedächtnis haften und wurden von Generation zu Generation weiter erzählt. Bereits 1652 verfasste der Ratsherr Hans Christoph Volckammer eine Schritt zur Erinnerung an die Schwedenzeit. Der Kantor Christian Heckel brachte 1739 anlässlich der hundert Jahre zurückliegenden Ereignisse eine Gedenkschrift zum Druck, die wiederum zur Quelle vieler kleinerer Beiträge wurde. Im 19. Jahrhundert nahm der Apotheker Jacobäer immer mehr die Gestalt eines Retters der Stadt Pirna an. Verschiedene Erzählungen, Balladen und kleinere Stücke widmeten sich seiner Heldentat. Ein Kreis geschichtsinteressierter Bürger veranlasste 1866 die Anbringung einer Gedenktafel an der Apotheke. Im Jahre 1891 wurde die neue Verbindungsstraße zwischen der Altstadt und der Bahnhofsvorstadt nach Jacobäer benannt.

Gedenktafel an der Apotheke
Gedenktafel an der Apotheke