Alfred
Wagner Der Vater des Retters
Von René Misterek
Nach der großen 700-Jahr-Feier im Jahre 1933 entstand
der Wunsch nach einem alljährlichen Stadtfest. Dieses Vorhaben konnte
zwar nur teilweise verwirklicht werden, aber insbesondere 1936 und 1939 kam
es zu größeren Feierlichkeiten. Stand 1933 noch der historische
Festumzug im Mittelpunkt, so trat an seine Stelle das Heimatspiel Der
Retter. Der Verfasser und Spielleiter Alfred Wagner brachte es mit etwa
120 Laienschauspielern und Helfern auf die Bühne. Als Aufführungsort
war von ihm die Ostseite des Rathauses vorgesehen. Bei schlechtem Wetter sollte
in der Tanne gespielt werden. Um die Ausgestaltung des Spieles
hatten sich neben Wagner insbesondere die Pirnaer Lehrer Rudolf Hänsel,
Osmar Nottnagel, Curt Richter, Rudolf Richter, Erich Schütze, Hugo Schwerg,
Dr. Horst Steger und Dr. Johannes Uhlmann verdient gemacht.
Der Autor Alfred Wagner wurde 1891 in Radebeul-Lindenau geboren. Seit Ostern
1913 stand er im Pirnaer Schuldienst. Er redigierte das vom Bezirkslehrerverein
herausgegebene heimatkundliche Blatt Heimat, das er selbst einmal
als Kinderzeitschrift bezeichnete. Nach Wagners Angaben musste diese Schrift
wegen ihrer unpolitischen Linie nach Zusammenstößen mit dem Schulrat
1934 eingestellt werden.
Später sah sich Wagner dem Vorwurf der Unterstützung der NS-Bestrebungen
ausgesetzt. Seit 1936 leitete er nebenamtlich das Stadtmuseum und orientierte
gegen den Widerstand namhafter Vertreter des Gebirgsvereines auf die Eingliederung
des Vereinsmuseums. Dessen Leiter, Studienrat Hermann Schreiter, bemerkte
zu Wagners Wirken:
und bald veranlassten nationalsozialistische
Bedürfnisse eine Änderung nach der anderen. Vielen älteren
Pirnaer Bürgern in angenehmer Erinnerung geblieben sind Wagners Bastelabende
und Vorweihnachtsschauen, die er in dieser Zeit ins Leben rief.
Im Jahre 1939 wurde das Stück letztmalig vor dem Zweiten Weltkrieg aufgeführt.
Das Stadtfest war dem 300. Jahrestag der Geschehnisse von 1939 gewidmet. Nach
dem Krieg wurde Alfred Wagner wegen seiner NSDAP-Mitgliedschaft zunächst
aus dem Schuldienst entlassen. Ehrenamtlich widmete er sich weiterhin dem
Museum. Im Jahre 1950 erlangte er seine Wiedereinstellung in den Schuldienst,
er fand Anschluss an die SED. Seine Anpassung an politische Umstände
führte zu manchem distanzierten Verhältnis.
Anlässlich der 725-Jahr-Feier bereitete Wagner 1958 die 50. Inszenierung
des Stückes vor. Diese zog jedoch Diskussionen mit SED und Rat des Kreises
nach sich, teils öffentlich ausgetragen in der Sächsischen Zeitung.
Der Vorwurf: Das Stück lasse die materialistische Geschichtsauffassung
vermissen, es sei abgestandene Süßstofflimonade. Maßstab
sollte die sozialistische Kulturpolitik sein, völlig uninteressant erschien
den Funktionären die Freude und Leidenschaft der großen Spieler-
und Zuschauerschar. Alfred Wagner verteidigte sich verbittert.
1960, zwei Jahre später starb er. Der Kulturbund würdigt in einem
Nachruf seine Verdienste als hervorragenden Kenner der Heimat und seiner Geschichte.